Ausstellung im Hanauer Museum

Übergänge: Der Rhein, die Brücken, die Menschen – Neue Ausstellung im Hanauer Museum

Von Marie Antoinette bis Corona spannt sich der Bogen der neuen Ausstellung im Hanauer Museum. „Übergänge: Der Rhein, die Brücken, die Menschen“ ist von Sonntag, 7. Mai, bis einschließlich Sonntag, 3. September, immer donnerstags, freitags und sonntags, jeweils von 11 bis 17 Uhr zu sehen. Die Ausstellung portraitiert Menschen, deren Leben sich durch die Überquerung der Brücken änderte und zeigt die spannungsreiche Geschichte der Übergänge zwischen Kehl und Straßburg.

Ute Scherb mit einem Landesgartenschau-Wegweiser in den Händen, der in Richtung Museum weist.
Museumsleiterin Dr. Ute Scherb mit einem Landesgartenschauschild: Zur grenzüberschreitenden Gartenschau 2004 ist die Passerelle des deux Rives errichtet worden - die erste Brücke über den Rhein als Staatsgrenze, die nicht in der Bau- und Unterhaltungslast der beiden Staaten liegt.

So stehen die seit 1388 errichteten Brücken als verbindende, aber auch trennende Elemente im Mittelpunkt der Ausstellung: Über sie wird ein ständiger Perspektivwechsel erzeugt, der die ganze Bandbreite der politischen, technischen und wirtschaftlichen Interaktionen beidseits des Rheins aufzeigt. Hier befanden sich über lange Zeiträume hinweg Grenz- und Zollstationen, die für nicht wenige eine unüberwindbare Barriere darstellten. Die Vertreibung der „Altdeutschen“ nach dem Ersten Weltkrieg, versehen mit dem Vermerk „sans retour“ (ohne Rückkehr), wird ebenso thematisiert wie die vollständige und schmerzhafte Schließung der Grenze während der Corona-Pandemie im Jahr 2020.

Während Roland Ries, im Frühjahr 2020 noch Oberbürgermeister von Straßburg, im Video-Interview berichtet, was die Grenzschließung für ihn als überzeugten Kämpfer für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bedeutete, ist Marie Antoinette, einmal als österreichische Erzherzogin Maria Antonia und einmal als Dauphine Marie Antoinette, als lebensgroße Pappmaché-Figur zu sehen. Thematisiert wird ihr Brautzug im Jahr 1770 und vor allem die Tatsache, dass sie von Kehl aus eine Rheininsel betrat, wo sie komplett neu – und zwar französisch – eingekleidet wurde. Von dort wurde sie schließlich nach Versailles gebracht, um den späteren König Ludwig XVI. zu heiraten.

Marie Antoinette, Caron de Beaumarchais und Sigmund Freud sind nur drei Beispiel für Menschen, deren Leben sich durch die Überquerung des Rheins bei Kehl von Grund auf änderte – sei es, um französische Königin zu werden, um verbotene Schriften zu drucken oder um einem verbrecherischen Regime zu entfliehen. Der Rhein selbst wird in der Ausstellung auf vielfältige Weise visualisiert: Von seiner Funktion als Lebensader und Ernährer, seiner Unberechenbarkeit bei Hochwasser, der Geschichte der Rheinbegradigung nach Tullas Plänen bis hin zu den jahrhundertelang gepflegten Begehrlichkeiten beider Anrainerstaaten, den Strom als eigenes Territorium zu reklamieren.

Die Ausstellungsräume im Hanauer Museum sind entsprechend dem Titel aufgeteilt, was bedeutet, dass jedem der drei Themen ein eigener Raum zugeordnet ist.

Der Rhein

Hier dominiert das Modell von Julius Gutekunst, das die Kehl/Straßburger Rheinlandschaft vor der Rheinbegradigung durch Tulla zeigt, und auf dem die „Lange Bruck“ zu sehen ist, die ab 1388 als feste Brücke die beiden Ufer verband. Die Besucher können kleine Knöpfe drücken, um verschiedene Stationen beidseits des Rheins kurz aufleuchten zu lassen. Das Modell misst stattliche 2,15 mal 3,30 Meter. Es wurde im Vorfeld der Ausstellung eigens restauriert, um es jetzt der Öffentlichkeit präsentieren zu können. Wichtige Themen in diesem Raum sind wirtschaftlicher Art, betreffen also den Rhein als Lebensader. Dazu gehören der Hafen, aber auch die wesentlichen Berufe wie Fischer, Flößer und Goldwäscher.

Zu diesen drei Berufen konnten die Leiterin des Museums und des Stadtarchivs, Dr. Ute Scherb, und ihr Team interessante Leihgaben ins Haus holen: einen Lachs, denn die Lachsfischerei spielte eine wichtige Rolle; von den Schiltacher Flößern erhielt das Museum ein Paar Flößerstiefel, einen Flößerhaken und eine Wiede, die dazu diente, das Holz zu Flößen zu binden. Die Flöße kamen die Kinzig hinab aus dem Schwarzwald, dienten oftmals in Straßburg als Bauholz, wurden aber auch häufig zu sogenannten „Holländerflößen“ umgebunden, die wiederum rheinabwärts Richtung Rotterdam verbracht wurden. Zur Visualisierung dient eine kleine Installation: Durch einen eigens für die Ausstellung entwickelten Guckkasten können Besucherinnen und Besucher die Schwarzwaldflößer in Rotterdam sehen. Auch der Goldwäscherei, der Goldscheuer seinen Namen verdankt, ist eine eigene Ausstellungseinheit gewidmet.

Die Brücken

Im zweiten Raum werden sämtliche Brücken, die es im Lauf der Geschichte zwischen Kehl und Straßburg gab und gibt, vorgestellt. Das Highlight hier bildet ein Modell der Beatus-Rhenanus-Brücke, das die Straßburger Verkehrsgesellschaft CTS zur Verfügung stellt. Ein anderes Modell zeigt, wie eine Schiffbrücke funktioniert hat

Die Menschen

der flötenspielende König als Porzellanfigur
Die flötenspielende König Friedrich II, der 1740 in Kehl die Grenze überquerte, hat als Porzellanfigur Eingang in die Ausstellung gefunden.

Im dritten Raum wird schließlich visualisiert, welche Bedeutung die Grenzlage Kehls und die Verbindungen nach Straßburg im Laufe der Jahrhunderte für die Menschen hatten. Einer der Protagonisten ist Caron de Beaumarchais, der Ende des 18. Jahrhunderts in Kehl nicht nur die erste Gesamtausgabe von Voltaires Werken drucken ließ, sondern auch eine Rousseau-Gesamtausgabe publizierte. Beide Ausgaben werden in der Ausstellung erstmals vollständig gezeigt. Bis heute von besonderer Bedeutung ist die Voltaire-Ausgabe, weshalb zusätzlich einige der berühmten Baskerville-Lettern ausgestellt werden, die Beaumarchais eigens von Großbritannien nach Kehl bringen ließ. Komplettiert wird diese Abteilung mit einer Voltaire-Büste.

Besucherinnen und Besucher lernen in diesem Raum auch die Schicksale vieler anderer Menschen kennen, für die die Rheinüberquerung in Kehl eine besondere Bedeutung hatte. Leider sind dies nicht nur positive Geschichten. Das bitterste Beispiel stellen die Stolpersteine für die Familie Kaufmann dar, die in der Großherzog-Friedrich-Straße verlegt sind. Für die Ausstellung wurden eigens Replikate angefertigt, die in einer kleinen stilisierten Brücke eingelassen sind, welche von den Besucherinnen und Besuchern überquert werden kann. Die jüdische Familie Kaufmann floh 1935 über den Rhein nach Frankreich in der Hoffnung, dort sicher leben zu können. Doch die Nazischergen jagten sie weiter; 1944/45 wurden alle Familienmitglieder ermordet.

Eine Porzellanfigur von König Friedrich II hat deshalb Eingang in die Ausstellung gefunden, weil er 1740 in Kehl anonym über die Grenze gegangen ist. Gästebücher, welche die Zollbeamten am Kehl-Straßburger Grenzübergang geführt haben, lesen sich wie das Who-is-who der Stars- und Sternchenszene: Von Romy Schneider über Vico Toriani, Karlheinz Böhm, Liselotte Pulver, Lale Andersen bis Gustav Heinemann haben Berühmtheiten bereitwillig signiert und in den meisten Fällen auch Autogrammkarten hinterlassen.

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Info

Die komplett zweisprachig gestaltete Ausstellung im Hanauer Museum ist vom 7. Mai bis zum 3. September immer donnerstags, freitags und sonntags, jeweils von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet fünf Euro. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind frei; Studierende, Schülerinnen und Schüler ab 18 Jahren zahlen zwei Euro. Bei Vorlage des Sozialpasses der Stadt Kehl reduziert sich der Eintrittspreis ebenfalls auf zwei Euro.

Die Ausstellung bildet wie die vergangene über Kehl in der Weimarer Republik (2019) wieder den Kehler Beitrag zum trinationalen Ausstellungsnetzwerk „Netzwerk Museen“.  Das Thema lautet diesmal „2022-2023: Der Rhein / Le Rhin“; insgesamt 38 Museen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz beteiligen sich. Überall werden Ausstellungen gezeigt, die sich mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten mit dem Rhein befassen. Mehr Infos dazu gibt es hier: https://www.dreilaendermuseum.eu/de/netzwerk-museen/nwm-projekt-2022-23-der-rhein/

Programm zur Ausstellung

Neben den Ausstellungsführungen in deutscher und französischer Sprache wird auch ein umfangreiches Begleitprogramm angeboten: 

Ausstellungsführungen in deutscher Sprache:
 
Freitag, 30. Juni, 15 Uhr
Sonntag, 30. Juli, 14 Uhr
Donnerstag, 10. August, 15 Uhr
Sonntag, 03. September, 15 Uhr  
 
Visites guidées en français :
Dimanche 18/06, 14h

Begleitprogramm:

30. Juni, 19 Uhr
Konzert-Lesung im Saal des Kulturhauses:
Eine Brücke trotzdem. René Schickele, citoyen français 
und deutscher Dichter 
René-Schickele-Gesellschaft
Redner: Charles Fichter, Lesung: Aline Martin und 
Maxime Pacaud, am Flügel: Anne-Catherine Kaiser
Eintritt: 7 € / 3,50 €
Vorverkauf: Tourist-Information Kehl und Hanauer Museum

22. Juli, 10 bis 13.45 Uhr 
22. Juli, 14 bis 17.45 Uhr
Familienführung mit Workshop:
Mein Rhein. Zeichen- und Malkurs für kleine und große 
Kunstinteressierte ab sieben Jahren mit dem Atelier Mobile der Kunstschule Offenburg. 
Mit Maria Cristina Tangorra (bildende Künstlerin und Kunstdozentin).
Es wird deutsch, französisch und englisch gesprochen.
Anmeldung und Informationen beim Hanauer Museum

Mehr Informationen im Ausstellungsflyer